Der König fliegt.
Den größten Triumph seiner langen Karriere erlebte König Hans der Glückliche mit seiner Inszenierung des „Fliegenden Holländers“ in der Royal Opera. Sein wichtigster Regie−Einfall bestand darin neben allen sichtbaren auch die unsichtbaren Akteure auf die offene Bühne zu bringen, die schon allein dadurch völlig unübersichtlich und übervölkert gewesen wäre.
Er steigerte aber dieses Durcheinander noch, indem er alle Sänger und Musiker nackt in Badewannen Platz nehmen ließ, die während der Ouvertüre allmählich mit warmem Wasser gefüllt wurden. Der berühmte Dirigent Pete Happyworm befand sich in einer auf einem Podest aufgebauten, mit bunten Mosaiken verzierten, ansonsten recht engen Sitzbadewanne, die Orchestermusiker mussten sich teilweise sogar zu zweit oder dritt in Zinkwannen setzen. Alle diese Wannen waren fest installiert. Jede hatte ihre eigenen Warm− und Kaltwasserhähne und die entsprechenden Abflussrohre.
Nicht so die Wannen für die Sängerinnen und Sänger, die mit Rädern versehen waren. Während etwa Senta (die Königszeit schrieb: „Donna Leander in großartiger Verfassung, die Krönung ihrer bisherigen Laufbahn!“, der Holländer und Daland in wuchtigen, komfortablen Badewannen in Palettenform untergebracht waren, die von kleinen, knatternden und stinkenden Zweitaktermotoren fortbewegt wurden, mussten sich die Nebenrollen wie Erik, der Jäger, oder Sentas Amme Mary mit Hilfe von Gondolierestangen über die enge Bühne staken. In der Bühnenmitte und an den beiden Seiten befanden sich große Wasserhähne und Abfluss−Stutzen. Dorthin steuerten die beweglichen Wannen immer dann, wenn das Wasser auf unangenehme Temperaturen absank. Bedingt durch die unterschiedlichen Größen der Wannen und das subjektive Wohlempfinden der Badenden war so während der gesamten Aufführung ein wohliges Plätschern, Sprudeln und Wasserrauschen zu vernehmen, das – so die Kritik in der Königszeit am nächsten Morgen – „für die höchst realistische Atmosphäre der Inszenierung sorgte“.
Doch auch das Publikum wurde von Hans König auf subtile Weise mit einbezogen. So ließ er im Vorfeld der Premiere die gesamte Bestuhlung entfernen und stattdessen Toiletten mit Wasserspülung einbauen, die von den Zuschauern während einer Aufführung ohne Pause auch dankbar angenommen wurden. Konnte das Publikum auf den vorderen Rängen noch das Privileg genießen auf einzelnen Toilettenschüsseln Platz nehmen zu dürfen, so wurden die hinteren Ränge allerdings nur noch mit von der Armee entliehenen Mehrsitzkombinationen ausgestattet. Die sattsam bekannte Donnerbalken−Plumpsklo− Konstruktion blieb der letzten Reihe vorbehalten, da bereits für die bisherigen Installationen sämtliche verfügbaren Rohre verlegt und verschweißt worden waren.
König Hans übernahm in seiner Inszenierung selber die vergleichsweise bescheidene Rolle des Boten. Allerdings ließ er seine Lieblingswanne, die er eigens für die Aufführung aus seinem Aquarium ausbauen und in die Royal Opera bringen ließ, mit einem 25−PS−Trabantmotor ausstatten. Die übrigen tragenden Rollen mussten sich mit frisierten Solexmotoren begnügen.
Da er während der Premiere Text und Melodie vergessen hatte und auf einmal in Erwartung seines Einsatzes auch das Orchester schwieg und außer dem Tropfen einiger Wasserhähne, sanftem Geplätscher und leise im Leerlauf knatternden Maschinen nichts zu hören war, musste er improvisieren. Diese spontane Eingabe kam aber bei Kritik und Publikum so gut an, dass sie kurzerhand als fester Bestandteil in die Inszenierung aufgenommen wurde. Und so sang König Hans seitdem jeden Abend vor ausverkauftem Haus:
„Ein Männlein steht im Walde, ganz still und stumm.
Es trägt ein purpurrotes Mäntelein und guckt recht dumm.
Es steht im Wald auf einem Bein, ganz still und stumm
und ganz allein...
Sag, wie heißt das Männlein klein,
das da steht im Wald allein
im purpurroten Mäntelein,
ganz allein auf einem Bein,
ganz allein auf einem Bein...!“